Sturmfluten im Alten Land


Die Sturmflutwasserstände im Alten Land: Beeindruckend, wenn man daneben steht.

Die Sturmflutwasserstände im Alten Land: Beeindruckend, wenn man daneben steht.

Spätestens wenn sich im Winterhalbjahr weit draußen auf dem Atlantik ein Tiefdruckgebiet  zum Orkan aufbaut und sich aus Richtung Nordwest der Nordseeküste Deutschlands nähert, fangen auch die sehr gelassenen Altländer innerlich das Beten an.

Starker Sturm (Windstärke 9 bis 11) mit orkanartigen Böen (ab Windstärke 12) und Windgeschwindigkeiten von sogar bis zu über 140 km/h droht dann die Wassermassen aus der Deutschen Bucht in den Elbstrom zu drücken und dessen Wasserstand um einige Meter anschwellen zu lassen. Je tiefer der Wasserstand, desto schneller ist die Fließgeschwindigkeit. Und je schneller diese wiederum ist, desto mehr Land reißt das Wasser mit sich. Wasser sucht sich seinen Weg. Deiche erodieren, können unterspült und mit der Zeit aufgeweicht werden.  

In der Nacht vom 16. auf den 17. Februar 1962 wütete Orkan Vincinette in Norddeutschland und überraschte die Bevölkerung teilweise im Schlaf, weil sie nicht rechtzeitig informiert worden war. Bei der sogenannten Hamburger Sturmflut von 1962  hielt zwar der Elbdeich in Grünendeich auf Höhe vom Lüheanleger stand, aber der Lühedeich brach und das Alte Land wurde von hinten überflutet. Damals starben 340 Menschen. 20.000 Tiere verendeten qualvoll. 1300 Häuser wurden völlig zerstört und mehr als 400 Kilometer Deich wurden erheblich beschädigt oder ganz weggespült.  Nach dieser Sturmflut wurden die Deiche bisher das letzte Mal erhöht.Vertieft jedoch wurde die Elbe seitdem ein paar Mal. (Siehe Grafik.)

Bereits am 3. Januar 1976 stand das Wasser wieder an der Oberkante des Elbdeichs. Orkan Capella brachte die Sturmflut mit den bisher höchsten Pegelwerten, die je im Unterelbegebiet gemessen worden sind. Wäre der Elbdeich in Kehdingen zwischen Drochtersen und Assel nicht an 10 Stellen gebrochen und hätte sich somit nicht schon dort ein Großteil der Flut über das Land ergossen, so wäre der Elbdeich im Alten Land am Ende nicht hoch genug gewesen. Die Pegelhöhe in Grünendeich/ Jork-Borstel blieb bei 6,43m über Normalnull stehen und ist seitdem auch nicht übertroffen worden.

Wieder einmal sehr viel Glück hatten wir hier im Alten Land am 3. Dezember 1999. Wäre der Sturm nicht vor dem Hochwasser abgeflaut, so hätte es einen neuen traurigen Rekord-Sturmflutwasserstand mit vielen Opfern und großen Schäden gegeben.

Heute und morgen beherrscht Orkan „Xaver“ das Wetter in ganz Nordeuropa. Experten sagen voraus, er werde über eineinhalb Tage lang das Wasser in die Deutsche Bucht und von dort in die Elbe drücken. Vorgestern begannen die Medien vereinzelt damit, die Sturmwarnung vom Deutschen Wetterdienst weiterzuleiten.  Am selben Tag gab das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig bekannt, es würde die Klagen gegen die Elbvertiefung ab dem 15. Juli 2014 verhandeln. Es sind zunächst sechs Verhandlungstage angesetzt. Drei zusätzliche Termine stünden zur Verfügung. Seit sieben Jahren streiten Wirtschaftsverbände und Umweltschützer darüber, ob die Elbe nun ein weiteres (bereits neuntes) Mal vertieft werden soll oder nicht.

Altländer kämpfen für ihre relative Sicherheit.

Altländer kämpfen für ihre relative Sicherheit.

Eine weitere Elbvertiefung würde  die Gefahren bei einer Sturmflut künstlich auf ein bisher nicht gekanntes Ausmaß erhöhen. Denn der dann sowieso schon tiefere Wasserstand (das Vier- bis Fünffache der Elbe von Anfang des 19. Jahrhunderts!) und die somit alltäglich ohnehin schnellere Fließgeschwindigkeit des Hochwassers wird dann noch zusätzlich durch die von einem Orkan in die Fahrrinne gedrückten Wassermassen gespeist. Die daraus resultierenden Konsequenzen für die Elbanwohner würde keine Regierung und kein Wirtschaftslobbyist in vollem Maße übernehmen. Sie ständen mit ihrem Verlust alleine da.

Sturmfluten gehören in Norddeutschland zum alljährlichen Wettergeschehen im Winterhalbjahr. Das ist für die Einheimischen ganz normal. Die Naturkatastrophen, von denen auch Deutschland betroffen ist, sind in den letzten Jahren jedoch spürbar heftiger ausgefallen als zuvor.  Wegen der globalen Erderwärmung und dem daraus resultierenden verstärkten Treibhauseffekt rechnen einige Wissenschaftler  mit einer Erhöhung der Sturmflutgefahren. Die Effekte setzen sich zusammen aus:

  • Erhöhter Sturmwahrscheinlichkeit
  • Erhöhung der Sturmintensität
  • und dem generellen Anstieg des Meeresspiegels.

Meteorologen sagen, Orkan Xaver werde die stärkste Sturmflut seit Jahrzehnten bringen, die die Ausmaße von 1962 haben könne. Weil bei diesen Windstärken Dächer abgedeckt werden können, Bäume umkippen und fliegende Gegenstände lebensgefährlich sind, empfehlen die Behörden, das Haus nicht zu verlassen.

In Niedersachsen fällt in mindestens zwanzig Landkreisen der Unterricht an allgemeinbildenden Schulen und Berufsschulen aus. Die Fähren fahren, wenn überhaupt noch, nur noch bis zum heutigen Mittag. Der Flugverkehr am Hamburger Flughafen wird eingeschränkt. Viele Weihnachtsmärkte schließen ebenfalls heute Mittag oder machen gar nicht erst auf. Das Volksfest, der Hamburger Dom, auf dem Heiligengeistfeld in Hamburg St. Pauli bleibt geschlossen. Das Hafengebiet ist abgeriegelt. Die Bahn bemüht sich mit ihrem aufgestockten Personal, den Verkehr soweit möglich aufrecht zu erhalten.

Zu Live-Bildern der Elbewebcams kommt man hier.

Eine Übersicht über sämtliche Sturmfluten an der Nordsee gibt es bei Wikipedia.

http://www.dwd.de/
Deutscher Wetterdienst

http://www.bbk.bund.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/BBK/DE/2013/Herbststuerme_Tipps_von_BBK.html
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe gibt Tipps zur Vorsorge und Selbsthilfe bei Stürmen

http://www.bsh.de/aktdat/wvd/wastabelb.htm
Hier veröffentlicht das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie die Wasserstandsvorhersage für die Unterelbe

http://www.nlwkn.niedersachsen.de/hochwasser_kuestenschutz/
Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz informiert über Hochwasserschutz und Küstenschutz in Niedersachsen

 

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