Orkan „Xaver“ hat sich mit Schnee verabschiedet und ist nach nicht ganz zwei Tagen Richtung Russland weitergezogen. Nach drei gut überstandenen Sturmfluten, von der die zweite die zweithöchste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen (1825) war, trat große Erleichterung ein. Passend zum zweiten Advent gab es im Raum Hamburg am Samstagmorgen herrlichen Sonnenschein in einer winterlich leicht verschneiten Landschaft. Weiter östlich und in höheren Lagen war der Schneefall heftiger.
Im Landkreis Stade hat der rund 76 km lange und über 8 m hohe Elbdeich gut gehalten. Der Küstenschutz war hervorragend organisiert. Fachleute im Kreishaus, in der Feuerwehr- und Rettungsleitstelle des Landkreises Stade in Wiepenkathen, bei den Deichverbänden und beim NLWKN (Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz) tauschten sich seit Donnerstagmorgen über die jeweils aktuelle Lage aus. Bereits Stunden vor Xavers erster Sturmflut wurden im Land Kehdingen und im Alten Land die fünf Deichscharts (Hochwasserschutztore der Deichdurchfahrten, inklusive Lühe- und Estesperrwerke) geschlossen. Ab Donnerstagnachmittag übernahmen Deichwachen ihren Dienst. Das Deichvorland und die Parkplätze im Bereich Stadersand, Hollern-Twielenfleth und am Lüheanleger standen dann später vollständig unter Wasser. (Siehe Foto.) In den nächsten Tagen wird der Elbdeich von dem angeschwemmten Treibsel (abgerissene Pflanzenteile und Abfälle) befreit werden, damit die Grasnarbe keinen Schaden nimmt. Die Deichbehörde schätzt, dass der dafür benötigte Kostenaufwand im fünfstelligen Bereich liegen werde.
Xavers Spitzenwindgeschwindigkeit über Deutschland betrug 158 km/h. Einige Quellen sprachen sogar von bis zu knappen 180 km/ h auf Sylt. Am stärksten betroffen waren die Nordseeinseln (auf den nordfriesischen Halligen war „Land unter“), die deutschen Küsten und Hamburg. Die Auswirkungen des Unwetters blieben dennoch insgesamt geringer als bei Orkan „Christian“ vor etwa sechs Wochen. Zum glimpflich guten Ende hat neben dem Faktor Glück vielleicht auch der Umstand beigetragen, dass Christian schon einiges sprichwörtlich abgeräumt hatte und jetzt bei Xaver sowohl die Einsatzkräfte als auch die Bevölkerung durch frühzeitige Warnungen des Deutschen Wetterdienstes bestmöglich vorbereitet waren. Wie vorgesehen, drehten sich die Rotorblätter der Windkraftanlagen automatisch aus dem Wind, so dass es bei der Technik der Windenergie zu keinem Schaden kam.
Vereinzelte Dämme brachen in Norddeutschland. Die Nordseeinseln verzeichnen massive Dünenabbrüche und sogar Landverlust durch Sandabtragungen. So manches Haus wurde abgedeckt und beschädigte anbei parkende Autos. Bäume (wie auch der 13 Meter hohe Weihnachtsbaum vor dem Berliner Schloss Bellevue, dem Amtssitz von Bundespräsident Joachim Gauck) stürzten um. In tausenden Haushalten, besonders in Mecklenburg-Vorpommern, fiel der Strom aus. Auf den Flughäfen Hamburg, Bremen und Hannover wurden viele Flüge gestrichen. Im Bahnverkehr kam es zu Verspätungen und Ausfällen. Nördlich von Hamburg soll fast kein Zug mehr gefahren sein. Zahlreiche Zugverbindungen waren auch am Samstag noch gesperrt.
Die meistbefahrene künstliche Wasserstraße der Welt, der Nord-Ostsee-Kanal, wurde während des Orkans geschlossen. Am Donnerstagmorgen zogen Schlepper die „Norwegian Getaway“ (der neue Kreuzfahrtriese der Meyer Werft aus Papenburg in Niedersachsen) vom Terminal in Bremerhaven in die Nordsee. Durch den starken Sturm kamen die Schlepper dabei an ihre Grenzen. Auch in die Elbe durften keine neu ankommenden Pötte einlaufen. Zum einen verursacht jedes vorbeiziehende Schiff durch die verdrängte Masse zusätzliche Flutwellen und in Folge dessen eine noch stärkere Brandung am Elbufer. Zum anderen sind große Schiffe bei diesen extremen Windstärken auf See sicherer aufgehoben, weil sie sich dort besser gegen den Wind stellen lassen. Meyer Werft Sprecher Peter Hackmann erklärte dem NDR-Niedersachsen: „Wenn das Wasser zu hoch steigt und die Fender nicht mehr greifen, könnte es an der Pier problematisch werden.“
In Deutschland gab es eine Tote (82-Jährige bei einem Unfall in einem Krankenwagen in Mecklenburg-Vorpommern) und einige Verletzte. Elf weitere Menschenleben forderte Xaver in Großbritannien, Dänemark, Schweden, Polen und Österreich. In Polen wurden drei Menschen in ihrem Auto von einem umfallenden Baum erschlagen. Die Suche nach zwei Seemännern, die am Donnerstagmorgen vor der schwedischen Küste über Bord gegangen waren, wurde eingestellt. Außerdem erfror eine Frau in Schweden und ein Mann wurde Opfer eines umkippenden Baums. In Dänemark starb eine 72-jährige Beifahrerin in einem Auto auf Jütland, als der starke Sturm dieses von der Straße blies. In Schottland bei Edinburgh starb ein Lastwagenfahrer, als sein LKW auf zwei Autos stürzte. In der englischen Grafschaft Nottinghamshire wurde ein Mann von einem Baum erschlagen. In Österreich rief eine Windböe im Salzburger Land einen frontalen Zusammenstoß zwischen einem LKW und einem Reisebus hervor. Der Lastwagenfahrer starb und der Busfahrer wurde schwer verletzt.
Berichterstattung
N24 Meteorologe warnt anschaulich vor Orkan Xaver
Deutsche Welle: Bilder aus Schottland, Amsterdam und Deutschland. Wegen des Neumonds besteht Gefahr durch nicht auszuschließende Springfluten bzw. (fachlich genauer) Tidenfluten.
Donnerstag, 15:33 Uhr in Norddeich (Ostfriesland): Hinter der ARD Korrespondentin tanzen zwei mutmaßliche Ostfriesen mit freiem Oberkörper ihren neuen „Xaver Style“ und sorgen für gute Laune.
Donnerstag, „ZDF heute nacht“
Freitag, Deutsche Welle, Bericht von der letzten Nacht
http://www.bbk.bund.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/BBK/DE/2013/Herbststuerme_Tipps_von_BBK.html
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe gibt Tipps zur Vorsorge und Selbsthilfe bei Stürmen
http://www.bsh.de/aktdat/wvd/wastabelb.htm
Hier veröffentlicht das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie die Wasserstandsvorhersage für die Unterelbe
http://www.nlwkn.niedersachsen.de/hochwasser_kuestenschutz/
Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz informiert über Hochwasserschutz und Küstenschutz in Niedersachsen