Hamburg, ein traditionell rotes Pflaster, atmet auf. Der G20 ist vorüber. Das permanente Dröhnen am Himmel durch die Hubschrauber ist verstummt. Die Straßensperren sind aufgehoben. Die Staus haben sich normalisiert und tausende Freiwillige haben das Schanzenviertel in einer Gemeinschaftsaktion aufgeräumt und so gut es ging wieder hergestellt. Die Stadt hat den Vandalismus-Opfern der vergangenen Tage eine Entschädigung zugesagt.
Der Gipfel der 19 reichsten Staaten und der EU war bei den Hamburgern von vornherein nicht willkommen. Er bedeutete enorme Einschränkungen, sehr hohe Kosten, Umsatzeinbußen und eigentlich nur Nachteile. Das Hauptargument jedoch war, dass sie keine brauchbaren Ergebnisse von dieser Großveranstaltung-de-luxe auf internationalem Parkett erwarteten. Der Aufwand würde sich mit dem Nutzen nicht die Waage halten.
Dennoch wurde das Beste aus dem Übel gemacht. Viele Ladenzeilen vernagelten ihre Geschäfte und nicht wenige Firmen schlossen ihre Türen. Wer es einrichten konnte, verließ die Stadt. In der Woche vom 2. bis 9. Juli fanden über 30 Demonstrationen, zahlreiche Workshops und Diskussionsrunden nebenher statt. Bis Donnerstagabend, als die Demo „Welcome to Hell“ beim Fischmarkt eskalierte und von der Polizei aufgelöst wurde, verlief alles weitgehend friedlich.
In Altona folgte eine Nacht der Verwüstung entlang der Routen, die die vielen Grüppchen des aufgesplitterten Schwarzen Blocks auf ihrem Streifzug wählten. Straßenbarrikaden und Autos brannten noch am nächsten Morgen. Dunkle Rauchschwaden hingen lange über der Stadt. Der größte Schaden entstand Freitagnacht im Schanzenviertel, am Schulterblatt nahe der Roten Flora, der Bastion von Hamburgs linken Autonomen. Geschäfte wurden geplündert, Fenster auf brutalste Weise eingeschlagen, Molotowcocktails von den Dächern geschmissen und mit (Pflaster-) Steinen geworfen. Schaulustige Jugendliche in Partystimmung machten dabei Selfies von dem Irrsinn.
Viele der Täter wechselten ständig ihre Kleidung von Schwarz zu bunt und umgekehrt, um zwischenzeitlich im Straßenbild unterzutauchen und unerkannt zu bleiben. Das war eine neue Taktik und erschwerte deren Identifizierung durch die Polizei. Dennoch gelang den Beamten bis Samstag, einen Großteil der randalierenden Chaoten in Gewahrsam zu nehmen. Dabei stellte sich heraus, dass die Mehrheit von ihnen nicht aus Deutschland kam sondern extra für das internationale Spektakel aus dem Ausland (Frankreich, Italien, Russland und der Schweiz) eingereist war.
Obwohl Solidarität in Hamburg ganz groß geschrieben wird und es viele, viele rührselige Momente in dieser einen Woche gab, bilden die negativen Bilder den Schwerpunkt der Berichterstattung durch die professionellen Medien und somit auch in den sozialen Netzwerken. Sensationslust überlagert alles, was viel wichtiger wäre. Der G20 selbst ist noch nicht einmal mehr Nebensache. Dessen unbefriedigendes Resultat geht völlig unter und scheint niemanden zu interessieren. Stattdessen tut der Bundestagswahlkampf sein Übriges.
Wie schadenfrohe Geier erscheinen plötzlich die Kritiker der Verantwortlichen aus dem Nirgendwo. Rücktrittsforderungen werden laut und lauter, als wären sie die Lösung aller Probleme. Die G20 Krawalle werden jetzt von der Hamburger CDU (nicht der Bundesregierung!) natürlich gründlich ausgeschlachtet, so als wenn sie alles besser gemacht hätten. Sie fordert auch die Schließung der Roten Flora. Jeder Pädagoge und Psychologe weiß, dass das zu einer weiteren Eskalation im linken Lager führen würde. Hamburgs amtierender Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) sagt, es werde keine Schnellschüsse geben. Das ist gut so. Fingerspitzengefühl ist gefragt.
Bei diesen ganzen negativen Kommentaren, die im Netz fleißig geteilt werden und den Rücktritt von Scholz fordern, frage ich mich: Sollen jetzt Kriminelle (also die Unruhestifter aus dem Ausland) entscheiden, wer Hamburg regiert?! Soll womöglich Frau Merkel zurücktreten, weil es ihr Vorschlag war, den Gipfel in Hamburg auszutragen? Wer hat Schuld, wenn bei jemandem eingebrochen wird? Der Bürgermeister des Ortes oder die Einbrecher? Dieses Ausmaß und diese neue Qualität von Gewalt konnte keiner voraussehen. Die Vermummten waren keine (linken) Autonomen im herkömmlichen Sinn. Sie verfolgten überhaupt keine politischen Interessen. Es waren schlichtweg gewaltgeile Durchgeknallte im Abenteuerurlaub, oder sollte man sagen nicht-islamistische-Terroristen? Wer auch immer jetzt die sogenannten „Verantwortlichen“ kritisiert und sagt, er hätte ja schon alles so kommen sehen, sagte damals wohl auch 9/11 voraus und hätte seine Schutzstrategien bereits vor dem Gipfel vorlegen können. Jetzt sich hinzustellen, schlau zu tun und nach Schuldigen außerhalb des Täterkreises zu suchen, bringt meiner Meinung nach keinen weiter und ist sehr, sehr billig. Vorher nichts tun und anschließend quaken. Toll, das kann jeder!!! – Besonders diejenigen, die selbst Null Verantwortung tragen oder übernehmen wollen.
Konstruktiv reden und beraten ist jetzt wichtig. Miteinander statt gegeneinander!
Am gelassendsten scheinen mir diejenigen zu sein, die am meisten betroffen sind: die Hamburger. Der Stadtreinigung, Polizei, Feuerwehr, all den vielen Ehrenamtlichen, die irgendwie im Einsatz waren, sei gedankt. Ebenso der starken Solidarität unter den Bürgern. Ich wünschte, sie bekämen die Aufmerksamkeit, die den Kriminellen und deren Taten entgegengebracht wird.
Gedanken steuern unsere Gefühle und somit unser Befinden. Negative Gedanken sind niemals, was wir brauchen. Lass den Wahlkampf Wahlkampf sein und versuche mal einen Tag lang, nur positive, kreative Gedanken zu haben. Du wirst sehen, dass Du so mehr Probleme löst als anders. Hamburger, ich bin stolz auf Euch. Ihr habt mal wieder in den verschiedensten Aktionen und Gesten gezeigt, dass Ihr ein ganz besonderer Menschenschlag seid. Ihr packt an statt „klugzuscheißen“ (Entschuldigung!) und leistet aktiv Hilfe ohne Ende. Lasst Euch nicht unterkriegen!